Un beau soleil intérieur (Meine schöne innere Sonne) von Claire Denis. Frankreich, 2017. Juliette Binoche, Xavier Beauvois, Nicolas Duvauchelle, Laurent Grevill, Bruno Podalydès, Alex Descas, Philippe Katerine, Paul Blain, Gerard Depardieu, Josiane Balasko, Sandrine Dumas
Ich hatte ja gleich so’n komisches Gefühl – eine romantische Komödie? Von Claire Denis??? Wie zum Teufel soll denn das gehen? Ich konnte mir das jedenfalls von vornherein schon nicht so richtig vorstellen, und saß vermutlich als einziger Kinobesucher von Anfang an mit gehörigen Reserven im Saal, während alle anderen auf eine neue nette französische Romcom hofften – und knappe hundert Minuten später halbwegs ernüchtert, verwirrt oder auch genervt wieder aufstanden und feststellten, dass das ja wohl ein Schuss in den Ofen war. Ich würde ihnen da vollauf zustimmen, wenn auch vielleicht aus etwas anderen Gründen. Mich hat weniger der misslungene Wohlfühlfilm als vielmehr die großartige Filmemacherin Claire Denis enttäuscht, und dies genau zum allerersten Mal in dreißig Jahren. Okay, könnte ich mir sagen, das ist auch mal erlaubt, aber trotzdem hat sie mir diesmal einen äußerst zähen und unerfreulichen Kinoabend beschert, den ich so dann doch nicht erwartet hatte.
Wir sehen eine wirklich berückend schöne Juliette Binoche alias Isabelle, eine Künstlerin auf der Suche nach ihrem Glück. Doch das Glück will einfach nicht zu ihr kommen, so sehr sie sich auch anstrengt. Stattdessen werden wir Zeuge endlos ermüdender Begegnungen mit ermüdenden Männern, eitlen, egozentrischen, jämmerlichen Einfaltspinseln allesamt, die ihre körperlichen Bedürfnisse nicht stillen können und die seelischen auch nicht. Trotzdem kann sie sich nur schwer abgrenzen, ihren eigenen Weg finden, sie schwankt zwischen den verschiedenen Herren hin und her, torkelt mal in die eine, dann wieder in die andere Richtung, und alles, was sie sicher spürt, ist, dass sie so nicht glücklich werden kann. Ihre Unentschiedenheit vergrault dann auch den einen, der vielleicht mal nicht an sich selbst denkt, und so landet sie schlussendlich beim Pendelschwinger Gerard Depardieu, der ihr sehr ausführlich die Zukunft weissagt, wobei er zwischen all dem Geschwafel immer wieder zu der einen Empfehlung zurückkommt, sie solle einfach „open“ sein und alles werde sich zum Guten wenden. Und ihrer zuversichtlichen Miene nach zu urteilen, glaubt sie ihm tatsächlich auch!
Über diesen grotesken und von Depardieu herrlich verschmitzt vorgetragenen Monolog lässt Claire Denis ganz lakonisch die Schlusstitel laufen – zweifellos eine ihrer besten und vor allem witzigsten Ideen in diesem Film, in dem es ansonsten mit dem Witz nicht ganz weit her ist. Das Ganze besteht vornehmlich aus langen, statisch gefilmten Duetten, und vermutlich hatte Denis vor, sich die Leute durch ihr einfältiges, widersprüchliches, hohles Geschwätz selbst entlarven zu lassen. Aber darauf hat schon ein anderer Filmemacher sein Patent angemeldet, und zwar Eric Rohmer, der hat ja auch nichts anderes gemacht, als seine Figuren irgendwohin zu stellen und sie drauflos quasseln zu lassen – aber meine Güte, er besaß eben den notwendigen Charme und Witz, und genau für diese beiden Attribute war Claire Denis bislang eigentlich nicht bekannt. Ihre einmalig spröden, sperrigen Werke zeugten stets von einer Regisseurin mit einer vollkommenen eigenen Handschrift und Philosophie; das ist nicht immer leicht zu konsumieren, aber immer sehr eindrucksvoll. Hier ist sie einfach auf falschem Terrain, hier treffen zwei Sphären aufeinander, die nicht kompatibel sind, jedenfalls habe ich das aus diesem Film entnommen. Die Dialoge sind auf die Dauer (und sie dauern wahrlich…) enervierend, kreisen mehr oder weniger um Nichts, und wer wirklich aufmerksam folgt, wird früher oder später den sprichwörtlichen Knoten im Kopf kriegen. Mir ist schon klar, mit welcher Absicht sie verfasst wurden und wieso sie sich so elend lang hinziehen, aber auf diese Weise ist das einfach nicht witzig. Und naja, wenn man mit dem Anspruch einer romantischen Komödie nach vorn tritt, dass sollte es wohl irgendwo und irgendwann mal witzig sein. Schuld sind außerdem die Deppen, die das Programmheft geschrieben und dem Film dieses Etikett aufgeklebt haben, weil sie natürlich darauf spekulieren, auf diese Weise mehr Publikum anzulocken, eben weil Romcoms derzeit der heiße Scheiß an den Kinokassen sind.
Gibt’s denn aber abgesehen von all diesen möglichen Missverständnissen und irregeleiteten Erwartungen irgendetwas, das mir „Meine schöne…“ geben könnte? Das ist ist jetzt für mich die entscheidende Frage, und die muss ich leider ooch mit „nein“ beantworten, denn selbst wenn Denis wie gewohnt außerhalb jeder Schublade bleiben wollte, ist ihr dennoch kein guter Film gelungen, bleibt der Film geschwätzig und recht öde. Die Männer kommen sehr schlecht dabei weg, ob Banker, Schauspieler oder Galerist, und das ist total okay, die Frauen in Gestalt Isabelles werden auch anständig aufs Korn genommen, und der ganze Pariser Kunstklüngel kriegt ordentlich einen mit. Zum Teil blitzt hier und da mal ein Hauch von Woody Allen auf, doch dazu fehlt es durchgehend an Tempo und Schlagfertigkeit, sodass es zu einer wirklichen Satire niemals reicht. Für eine ernsthafte Soziostudie wiederum sind die Gespräche viel zu abstrus und doof, was auch schade ist, denn die Idee einer vor allem sexuell unerfüllten Frau, die partout keinen Mann auftut, der ihr geben kann, was sie braucht ohne dummes Gelaber oder Machogetue, die ist schon ganz reizvoll. Und wie Agnès Godards Kamera die wunderbare Juliette umschwärmt, das hat auch seinen Reiz. Überhaupt spielt die Juliette auch ganz toll, weshalb ich es erst recht bedauerlich finde, dass Denis diesmal irgendwie nicht so recht zu ihrem Stil gefunden hat. Und so musste ich genau wie alle anderen im Saal auch beim Aufstehen erstmal tief durchschnaufen – puh, das war ´ne anstrengende Sitzung… (18.12.)