A quiet place von John Krasinski. USA, 2018. Emily Blunt, John Krasinski, Millicent Simmonds, Noah Jupe, Cade Woodward
Eigentlich braucht’s ja gar nicht viel – eine einzige Ausgangsituation, eine kleine Handvoll Personen, einen sehr eng umgrenzten Schauplatz, eine dunkle Bedrohung von außen und eine etwas schräge Prämisse, die der Story dann den Kick gibt, und das liest sich so: Im Jahre 2020 wird die Erde größtenteils von fiesen Aliens überrannt worden sein. Diese Viecher sind hochgerüstete Kampfmaschinen, die zwar nicht sehen können, dafür aber ein mörderisch gutes Gehör haben, wodurch es ihnen möglich ist, ihre Beute schon anhand des kleinsten Geräuschs zu orten und zu meucheln. Und da die Menschen bekanntermaßen viele Gaben haben, nur die eine nicht, nämlich einfach mal für fünf Minuten Ruhe zu geben, haben die Aliens leichtes Spiel, und das Land ist alsbald verwaist, bis auf eine paar versprengte Überlebende, denen es gelungen ist, sich dieser denkbar prekären Situation anzupassen. Wir lernen eine fünfköpfige Familie kennen, die das geschafft haben und die noch immer draußen auf ihrer Maisfarm leben und die ein paar Tricks und Kniffe angewandt haben, um sich die Aliens vom Leib zu halten. Ihre Tochter Reagen ist gehörlos, und hat es damit besonders schwer, auf totale Geräuschvermeidung zu achten, während ihre beiden Brüder als kleine Jungs den natürlichen Drang haben, möglichst viel Lärm zu machen. Der jüngere der beiden wird diesem Drang leider zum Opfer fallen, während Mutter Evelyn bereits mit einem vierten Kind schwanger ist. Die Aliens kreisen die Farm mehr und mehr ein, die Situation wird immer dramatischer, und am Ende muss sich auch Vater Lee für seine Familie opfern. Doch Evelyn und Regan haben eher zufällig die eine Schwachstelle der Mörderbiester gefunden, nämlich die Hochfrequenztöne, die Regans Hörapparat ausstrahlt und die sich elektronisch verstärkt prima als Waffe eignen, denn die empfindlichen Hörorgane der Aliens sind offenbar für solch schrille Töne nicht geeignet. Dazu gesellt sich dann noch Mamas Pumpgun, und es kann losgehen…
Dieses finale Spektakel wird uns aber gottseidank vorenthalten, eine der vielen guten Entscheidungen der Filmemacher, wie ich finde, denn es hätte absolut nicht zum Rest gepasst, der ja fast nur aus Lautlosigkeit und angstvoller, panischer Stille besteht. Das ist natürlich an sich schon ein genialer Kniff, dem tosenden und dröhnenden und posaunenden Mainstreamkino mal eine ganz andere Variante entgegen zu setzen, einen Horrorfilm, der seine beachtliche Wirkung aus vollkommener Reduktion bezieht. Natürlich gibt’s den einen oder anderen schaurigen Moment, und ich für meinen Teil hätte die Aliens auch gar nicht zu sehen gebraucht, und natürlich gibt’s die genreüblichen jump scares, ohne die heute gar nichts mehr geht, doch haben Drehbuch und Regie eine derartige Intensität erzeugt, dass mich auch diese konventionelleren Elemente überhaupt nicht gestört haben, genauso wenig wie irgendwelche Löcher in der Logik und die zugegeben abenteuerliche Prämisse insgesamt. Denn: Dieser Film ist einfach mordsmäßig spannend. Genau genommen kann ich mich gar nicht daran erinnern, in den letzten Jahren einen spannenderen Film gesehen zu haben, einen, dem es dermaßen perfekt gelingt, atemberaubende, furchteinflößende Situationen zu kreieren und wirklich bis zum Gehtnichtmehr auszureizen. Die Not der beiden Kinder im Maissilo ist eine davon, Evelyns und Regans Kampf zum Schluss eine andere, doch die weitaus haarsträubendste ist selbstverständlich die Geburtsszene, in der Evelyn gezwungen wird, ihre Wehen lautlos zu weg zu atmen, weil ein Alien zu Besuch ist, und erschwert wird diese Tortur noch durch den Umstand, dass sie sich unmittelbar zuvor einen Nagel in den Fuß gerammt hat, wobei sie natürlich auch diesen Schmerz geräuschlos verkraften muss. Allein die Körpersprache und die Mimik der grandiosen Emily Blunt vermitteln Schmerzen, Angst, Panik und dennoch den unbedingten Willen, zu überleben. Blunt und ihre nicht minder tollen Mitstreiter bilden ein extrem homogenes Ensemble, das der Geschichte ein hochgradig menschliches Gesicht gibt. Helden sind hier nicht gefragt, nur ganz normale Leute, die um ihre Zukunft ringen und auch noch daran glauben. Das Drehbuch bemüht sich dankenswerterweise erst gar nicht, den Bogen weiter zu spannen und uns mit Erklärungen und größeren, globalen Zusammenhängen zu belasten, denn all das will ich diesmal auch gar nicht sehen, ich will nur diese eine Familie sehen und mit ihr fiebern und hoffen, dass sie es irgendwie schafft, weiter zu leben, egal, ob es eine Zukunft gibt und wie sie aussehen würde. Das meinte ich eben auch mit Reduktion und das wird ganz stringent durchgezogen. Kein Präsident, keine Armee, keine marodierenden Horden, keine leergefegten Städte, überhaupt kaum etwas von dem üblichen apokalyptischen Szenario, das wir sonst zumeist vorgesetzt bekommen. Nur ein Farmhaus, ein Silo, ein paar Felder drumherum, ein unscheinbares ländliches Setting und eine Familie, die mit wenigen Strichen dennoch ungeheuer präsent und prägnant ist, weil die kleinen Gesten genau stimmen, weil die einzelnen Charaktere ganz fein gegeneinander ausbalanciert sind und weil die Schauspieler so gut zusammen spielen.
Alles in allem wirklich tolles Genrekino, wie ich es nur ganz selten mal sehe. Ich hatte saumäßig viel Spaß, und mal ehrlich, wie oft kommt es vor, dass das verdammte Popcorngeraschel und –gemampfe den Ton über weite Strecken des Films deutlich übertönt…? (16.4.)