Haeojil gyeolsim (Die Frau im Nebel) von Park Chan-wook. Südkorea, 2022. Park Hae-il, Tang Wei, Lee Jung-hyun, Go Kyung-pyo, Park Yong-woo, Jung Yi-seo

   Ein Film Noir in Farbe, wenn man so will, eine Hommage an die klassische femme fatale, in deren Schönheit und Intrigen sich hordenweise Männer verlieren. Das Prinzip funktioniert nicht nur im Hollywood der 40er Jahre, das funktioniert ebenso gut im Südkorea von heute, und es hat im Grunde nichts von seiner schillernden Faszination verloren. Ein gewissenhafter, erfahrener Polizist, ein Todesfall, der nur auf den ersten Blick wie ein Unfall ausschaut, die Ehefrau des Toten, eine attraktive Chinesin, die einst, wie sie später offenbart, als illegaler Flüchtling ins Land gelangte, und schon geht der bekannte Mechanismus los. Der Polizist ist erst misstrauisch, doch dann verfällt er der fremden Schönen nach und nach, ist zuletzt so sehr von ihrer Unschuld überzeugt, dass er selbst relevantes Material vernichtet,  nur um kurz darauf erkennen zu müssen, dass sie ihn getäuscht hat. Jahre später begegnen sie sich in einer anderen Stadt erneut, wieder stirbt ihr aktueller Ehemann, wieder sieht es zunächst so aus, als ließe sich der Polizist einwickeln, zumal seine eigene Ehe nicht eben glücklich ist, doch diesmal kriegt er gerade noch die Kurve, kann den wahren Täter ermitteln, was ihm allerdings nicht viel hilft, denn sie begeht spektakulär Selbstmord und er kann nichts dagegen tun.

   Wie in allen Filmen dieser Art geht es nicht in erster Linie um Plausibilität, um nachvollziehbare Handlungen und Motive, es geht um Stimmungen und Emotionen, und darum hat sich Park angemessen gekümmert. Er findet ausdrucksstarke, schöne Bilder, baut überraschend viel Humor in die Geschichte ein und verzichtet zu meiner großen Freude auf die bei ihm sonst leider häufig anzutreffenden Gewaltexzesse. Das ist gut so. Mit Tang Wei hat er eine ideale femme fatale zur Hand, verlockend, verschlossen, tragisch umflort in schicker Garderobe, ganz, wie sie sein soll. Die Chemie der beiden Hauptdarsteller funktioniert wunderbar zwischen Anziehung und Irritation, Unsicherheit und Begehren, und das Finale findet in einer hinreißenden Küstenlandschaft statt, eine angenehme Abwechslung zu all den molochartigen Städtelandschaften zuvor. Dass Park im Prinzip absolut nichts Neues erzählt, ist okay, weil er es gekonnt und mit Stil tut. Allerdings merkt man dem Film seine beinahe einhundertvierzig Minuten zwischenzeitlich doch mal an – insgesamt ist das Drehbuch nicht gerade ein Muster an ökonomischer Dramaturgie, sondern erlaubt sich den einen oder anderen Durchhänger, die eine oder andere Länge,  da helfen auch die mitunter sehr originellen Nebenfiguren nicht immer.

 

   Ich merke, dass mir koreanische Filme immer noch ein wenig fremder sind als beispielsweise japanische, vermutlich, weil ich so wenig von ihnen zu sehen bekomme. Schade ist das auf jeden Fall, denn es wäre doch sehr spannend zu sehen, ob sich die ganz besondere asiatische Kinokultur auch im Abendland auf Dauer etablieren kann – eine große Bereicherung wäre es allemal. ˜˜˜˜ (15.2.)