Touch (#) von Balthasar Kormákur. Island, 2024. Egill Ólafsson, Yôko Naharashi, Palmi Kormákur, Kôki, Masahiro Motoki, Ruth Sheen
Eine Spurensuche über fünfzig Jahre, in drei Sprachen, auf zwei Kontinenten. Der junge Kristófer verliebt sich in London in die Japanerin Miko, als er ihretwegen bei ihrem Vater als Tellerwäscher anheuert. Ihre Liebe ist aber nicht von langer Dauer, denn eines Tages reisen Vater und Tochter unerwartet ab, und erst als alter und offenbar auch schwerkranker Mann begibt sich Kristófer just zum Ausbruch der Coronapandemie endlich auf die Suche, reist zunächst nach London, dann nach Japan, wo er tatsächlich auf Miko trifft, und wo sich ihre Liebe vielleicht sogar erneuern kann, da jenes isländische Volkslied, mit dem er einst schon ihr Herz gewann, auf Miko noch immer eine besondere Wirkung zu haben scheint…
Aus dieser Story hätte man auch ein triefendes Melodrama mit jeder Menge Kitschpotential machen können. Das ist aber nicht passiert, weil Balthasar Kormákur, vom dem ich zuletzt nur eine gute Krimiserie gesehen habe, einen Kinofilm aber seit Ewigkeiten nicht mehr, mit soviel Gefühl und Stilsicherheit zu Werke geht, dass es mir eine große Freude war. Hätte ich ehrlich gesagt auch gar nicht erwartet, angesichts all der Machwerke für den US-Markt, die sein Schaffen ungefähr zur Hälfte geprägt haben. Aber hier macht er einfach alles richtig: Ein feinfühliger Film der leisen Töne und mit langem Atem (für meinen Geschmack insgesamt vielleicht um fünf bis zehn Minuten zu lang…), ein Film der leisen Melancholie, des leisen Humors, auch ein sehr zarter und zärtlicher Film, der die vielen Sprünge zwischen damals und heute bruchlos und störungsfrei meistert, und der es vor allem geschafft hat, beide Zeitebenen gleichermaßen interessant zu machen, sodass ich sowohl dem jungen als auch dem alten Kristófer gespannt und bewegt gefolgt bin. Ganz nebenbei ein Film über die Verständigung und Befreundung ganz unterschiedlicher Kulturen (wenn man nur die Bereitschaft dazu hat), über die Aneignung neuer Sprachen und Gebräuche, und im Falle von Mikos Familie über die unauslöschbaren Spuren der Vergangenheit, denn beide stammen aus Hiroshima, ihre Mutter starb kurz nach ihrer Geburt an den Folgen des Atombombenabwurfs, und ihr Vater ist gequält von dem Gedanken, sie könne den Defekt in sich tragen und dürfe deswegen auf keinen Fall selbst ein Kind zur Welt bringen. All dies wird trotz des beträchtlichen dramatischen Gehalts ganz ruhig und dezent vermittelt, dabei keineswegs kraftlos, sondern im Gegenteil von großer emotionaler Eindringlichkeit. Die Schauspieler sind hervorragend und die Bilder und Sounds aus dem London der Give-peace-a-chance-Zeit natürlich für einen Nostalgiker wie mich ein Genuss. Alles in allem einfach ein besonders schöner Film fürs Herz und in unseren derangierten Zeiten ab und zu gerade das richtige Rezept. » (13.8.)