Mit der Faust in die Welt schlagen von Constanze Klaue. BRD, 2024. Anton Franke, Camille Loup Moltzen, Christian Näthe, Anja Schneider, Sammy Scheuritzel, Tilman Döbler
Eine Familienchronik aus der sorbisch-sächsischen Provinz zwischen 2006 und 2015: Blühende Landschaften überall, und die Zschornaks gehören zu den vielen Gewinnern der Wende. Papa Stefan steht immer kurz vor der Entlassung und muss für seine Jobs oft weit und lange reisen. Er will ein Haus bauen, doch reicht es an allen Ecken und Enden nicht, zumal er als Handwerker nur mäßig begabt ist. Mama Sabine reißt im Krankenhaus eine Schicht nach der anderen ab, um die finanzielle Basis zu sichern. Philipp und Tobias gehen zur Schule, treiben sich ansonsten in der Gegend rum und versuchen irgendwie, den Alltag zu ertragen. Es wird aber alles immer schlimmer: Vati fängt wieder das Trinken an und wirft ein Auge auf die Nachbarin, Mama wird immer verbitterter, und dazwischen haben die Jungs keinen Platz mehr. Da kommt die lokale Nazitruppe gerade recht. Philipp nimmt als erster Kontakt auf und wird bald in die ein paar mulmige Situationen reingezogen. Tobias will schließlich auch, und neun Jahre später ist er immer noch dabei, während sein Bruder den Absprung nach Dresden geschafft hat und mit der rechten Szene scheinbar nichts mehr zu tun hat. Jetzt ist 2015, die Flüchtlinge kommen, und die ersten Flüchtlingsheime fangen Feuer.
Die Inszenierung hier ist herausragend, sie fängt die Atmosphäre von Frustration, Freud- und Lieblosigkeit dermaßen intensiv ein, dass ich mich als Zuschauer unmöglich entziehen kann, sie wahrt allerdings genau jenes notwendige Quentchen Distanz, um uns nicht mit hineinzuziehen in diese triste Nachwenderealität, die sich allein schon durch die Bilder mitteilt, ohne dass deswegen viele Worte gemacht werden müssen. Im Jahr 2006 kommen die Feinde sowieso nicht mehr in erster Linie aus dem Westen, sondern eher aus dem Osten, aus Polen genauer gesagt, denn von dort kommen die fixen Handwerker, die preiswert und kompetent ihr Werk verrichten und den einheimischen Kollegen die Jobs wegnehmen. Weitere neun Jahre später dann bilden die Flüchtlinge aus dem Nahen und Mittleren Osten eine dankbare Zielscheibe für die dumpfe Wut der Dorfjugend. So erleben wir die beiden Brüder auch schon zu Beginn, irgendwie dumpf, leer, latent aggressiv, und wenn sich irgendetwas zum Kaputtmachen anbietet, dann wird es auch kaputt gemacht. Es gibt einfach auch so wenig, mit dem behutsam umzugehen sich lohnen würde. Die Lieblosigkeit, die in der Familie Zschornak herrscht, ist grausam und mit Händen zu greifen, die zerrüttete Ehe, die zerstörten Illusionen der Eltern, die Hilflosigkeit der Brüder, die sich früher oder später zwangsläufig ihre Bahn brechen muss. Dabei ist dies keineswegs ein Lehrstück über den Faschismus in uns allen oder darüber, wie in den ostdeutschen Provinzen die rechtsradikalen Stumpfbacken zu Macht und Einfluss kommen konnten, hier wird nicht belehrt, nicht lamentiert, nicht mal polemisiert. Die Geschichte wird als dichtes Geflecht scheinbar beiläufiger, aber sehr präzise beobachteter und montierter Sequenzen erzählt, die niemals alles offenbaren, nicht jeden Zusammenhang erklären, jeden losen Faden bis zum Ende verfolgen. Suggestiv oder impressionistisch, oder wie will ich es sonst noch bezeichnen, jedenfalls durchgehend sehr eindrucksvoll, und ich habe bislang nur wenige Filme aus dieser Region nach dem Mauerfall gesehen, die mich ähnlich überzeugt haben wie dieser. Großes Kino, das ganz und gar nicht so daherkommt. (15.4.)