Stormskärs Maja von Tiina Lymi. Finnland/Schweden, 2024. Amanda Jansson, Linus Troedsson, Tobias Zilliacus, Jonna Järnefelt, Amanda Kilpeläinen Arvidsson, Vendla Källroos, Valter Jansson, Alvar Holmström, Desmond Eastwood, Tony Doyle
Vor gut zwei Monaten hab ich das schonmal geschrieben, als es um den Grafen von Monte Christo ging, und jetzt schreibe ich es wieder: Wie schön, dass es solche Filme noch gibt. Damit meine ich so richtige Kino-Filme, Filme, die wirklich voll und ganz dem Medium gehören, den großen Sälen, der großen Leinwand, dem Publikum. Und wer weiß, vielleicht haben diese Filme ja wieder Konjunktur und ich kann mich in Zukunft auf mehr davon freuen.
Dies ist ein fast dreistündiges Epos in großer skandinavischer Tradition – ein ruhiger und dennoch sanft dynamischer Erzählfluss, majestätischer Bilder aus einer majestätischen Landschaft und ein wunderbar üppiger Überwältigungssoundtrack, der dennoch niemals aufdringlich oder gar störend wirkt, sondern die Bilder einbettet und trägt. Eine Geschichte von Menschenleben, von Schicksalen, draußen auf den Ålandinseln Mitte des 19. Jahrhunderts. Dort wird die stets etwas wunderliche, versponnene und introvertierte Maja gegen ihren Willen vom Vater verheiratet mit dem Fischersohn Janne und von de m wiederum gegen ihren Willen auf die entlegenste der Schäreninseln geschleppt, nach Stormskär, wo er vielversprechende Fischgründe vermutet und mit dem Kredit des lokalen Zinswucherers eine neue eigene Existenz aufbauen möchte. Er trichtert seiner jungen Frau sein Credo ein: Hab keine Angst, sei zuversichtlich. Und tatsächlich macht Maja sich seine Glaubenssätze zu eigen, und es entsteht nicht nur eine sehr innige Liebe, die etliche Kinder hervorbringt, sondern sie entwickelt auch die feste Entschlossenheit, es dort draußen auf Stormskär zu schaffen, egal, wie sehr sich ihre alte Familie darum bemüht, sie wieder aufs Festland zu holen, weil das Leben dort draußen scheinbar zu hart ist. Gemeinsam überleben sie viele entbehrungsreiche Jahre, in denen sie ständig um ihre Existenz ringen müssen, sie überstehen lange Phasen der Trennung – entweder ist Janne draußen auf See, oder er muss vor englischen Truppen fliehen während eines merkwürdigen Krieges, in dem die kleine Insel vorübergehend von britischen Soldaten besetzt wird, und nun muss Maja allein mit den Kindern diese Bedrängnis überstehen. Sie schafft‘s, sie kommt sogar über den Tod ihres Sohnes Mikael und schließlich auch über Jannes Tod hinweg, sie widersteht erneut dem Drängen ihrer Eltern, zurück nach Hause zu kehren, sie geht noch einmal zum Wucherer, hält selbstbewusst seinen herablassenden Reden gegen Frauen stand und leiert ihm einen weiteren Kredit aus dem Kreuz, mit dem sie endlich einen großen Fischerkahn bauen lassen kann, so wie Janne es immer erträumt hatte.
Es geht um eine archaische, sehr traditionell und fromm geprägte Gesellschaft in rauer Natur, es geht um Frauen, für die nicht vorgesehen ist, dass sie ihr eigenes Leben in die Hand nehmen, es geht um Arm und Reich, es geht zwischendurch auch mal um Krieg und was er aus den Menschen macht, doch eigentlich geht’s in erster Linie um Liebe und Versöhnung und tatsächlich darum, dass man keine Angst haben, sondern immer hoffen sollte. Ich habe einige fast magische Momente hier erlebt, in denen sich Spannungen, Konflikte, Missverständnisse plötzlich auflösten nur durch die Bereitschaft der Beteiligten, sich zu verständigen, miteinander zu lachen, einfach im Guten weiter zu machen, das geschieht etliche Male hier, und jedesmal ist es ein kleines Wunder und ein definitives Statement zum menschlichen Miteinander, das nicht zwangsläufig immer nur von Krieg und Gewalt und Machtmissbrauch geprägt sein muss, sondern im Gegenteil von der grundlegenden menschlichen Fähigkeit zum Frieden geprägt werden sollte. Eine pure Utopie, so scheint es, doch für mich heute Abend eine unerhört verlockende und einfach schöne Utopie. Auch sonst ist dies ein Film, in den ich mich hineinfallen lassen konnte, allerdings hat er mir auch zugemutet, mich an die Hauptpersonen heranzuarbeiten, ganz so, wie die Personen selbst erstmal miteinander klarkommen mussten. Die tollen Schauspieler passen perfekt dazu, denn auch sie wollen gemeinsam mit ihren Figuren entdeckt und erforscht werden. Nach einer gewissen Zeit dann entsteht ganz leise und wie von selbst eine Nähe und Vertrautheit, ein wunderbarer Flow, der die Geschichte dann trägt, auch durch die dunkleren, schweren Zeiten.
Leider (oder sollte ich sagen: natürlich) sind die dem Film zugrundeliegenden Bücher nicht auf Deutsch erhältlich, aber ich kann sie mir schon halbwegs vorstellen und würde wirklich gerne einmal lesen. Bis dahin erfreue ich mich erstmal an diesem großartigen Film, drei Stunden Kino in reinster Form, ein Genuss auf ganzer Linie und endlich auch mal wieder ein Lebenszeichen aus dem Norden… (14.4.)